Donnerstag, 27. Oktober 2011

Matt Ruff – Bad Monkeys

„Worin besteht Ihre Arbeit bei Bad Monkeys“, fragte der Arzt, „also was tun Sie? Böse Menschen bestrafen?“
„Nein. Normalerweise töten wir sie einfach.“
„Und töten ist keine Strafe?“
„Nur dann, wenn man’s tut, um jemand irgend etwas heimzuzahlen. Aber das ist nicht das Ziel der Organisation. Wir versuchen lediglich, die Welt zu einem besseren Ort zu machen.“
„Indem Sie böse Menschen töten.“
„Nicht alle. Nur die, bei denen Kosten-Nutzen zu dem Schluss kommt, dass sie durch ihre weitere Existenz erheblich mehr Schaden anrichten würden als Gutes tun.“
„Macht es Ihnen etwas aus, Menschen zu töten?“
„Eigentlich nicht. Es ist nicht so, als wenn man Polizist wär. Ich meine, Bullen, die haben es mit allen möglichen Leuten zu tun, und manchmal müssen sie im Namen des Gesetzes Typen einbuchten, die eigentlich gar nicht so schlimm sind. Ich kann mir schon vorstellen, dass einen das in Gewissenskonflikte stürzen kann. Aber die Typen, die wir uns bei Bad Monkeys vorknöpfen, sind keine von der Sorte, die einem gemischte Gefühle verursachen.“

Freitag, 14. Oktober 2011

Robert Louis Stevenson – Der Selbstmörderclub

„Es gibt zahlreiche Gründe, weshalb ich Ihnen meine Geschichte nicht erzählen sollte; vielleicht ist aber das gerade der Grund, weswegen ich es doch tun will. Endlich scheinen Sie mir so gut darauf vorbereitet, eine Geschichte voller Albernheiten anzuhören, dass ich es nicht übers Herz bringe, Sie zu enttäuschen. Meinen Namen werde ich trotz Ihres Beispiels für mich behalten. Auch mein Alter ist für die Narretei nicht wesentlich. Ich stamme von meinen Vorfahren auf ganz gewöhnliche Weise ab und von ihnen erbte ich auch das höchst passable Äußere, dessen ich mich noch erfreue, und ein Vermögen von dreihundert Pfund Rente. Ich nehme ferner an, dass sie gleichfalls die Neigung zu unbesonnen Scherzen auf mich übertrugen, der zu frönen meine hauptsächlichste Freude war. Ich empfing eine gute Erziehung. Ich spiele die geige fast gut genug, um damit in einem Schmierenorchester Geld zu verdienen, ein bisschen fehlt freilich noch dazu. Das gleich gilt für Flöte und Französiches Horn. Vom Whist lernte ich genügend, um in einem Jahr bei diesem gelehrten Spiel mehr als hundert Pfund zu verlieren. Meine Vertrautheit mit der französischen Sprache reichte hin, es mir zu ermöglichen, in Paris fast mit der gleichen Leichtigkeit Geld zu verschwenden wie in London. Kurz, ich bin eine Person mannigfachen Talentes. Es gibt keinerlei Abenteuer einschließlich eines Duells um nichts, die ich nicht unternommen, in denen ich mich nicht betätigt hätte. Kaum zwei Monate sind verstrichen, da traf ich eine junge Dame, die an Körper und Geist völlig meinem Geschmack entsprach; ich fühlte, wie mein Herz schmolz; endlich, sah ich, hatte sich mein Schicksal erfüllt, ich war auf bestem Wege, mich zu verlieben. Als ich mich jedoch daran machte, zu überzählen, was von meinem Kapital noch übrig blieb, stellte ich fest, dass es sich auf etwas weniger als vierhundert Pfund belief! Ich frage Sie aufrichtig – kann ein Mann von Selbstachtung sich auf Grundlage von vierhundert Pfund verlieben? Meine Schlussfolgerung lautete: ausgeschlossen. Ich floh die Gegenwart meiner Zauberin, und ein wenig die Höhe meiner gewohnten Aufwendungen steigernd, erreichte ich heute früh meine letzten achtzig Pfund. Diese Summe teilte ich zwei gleiche Teile; vierzig reservierte ich für einen besonderen Zweck; die verbleibenden vierzig wollte ich vor Nachtanbruch vergeuden. ich habe einen sehr arbeitsreichen Tag hinter mir und außer dem Unfug mit den Sahnetörtchen, der mir den Vorzug Ihrer Bekanntschaft verschaffte, betätige ich mich noch in manchen anderen Possen, war es doch meine Bestimmung, wie ich Ihnen bereits erzählte, einen närrischen Lebenslauf zu einem noch närrischeren Abschluss zu bringen. Und als Sie sahen, wie ich meine Börse auf die Straße schmiss, waren meine vierzig Pfund zu Ende. Jetzt kennen Sie mich so genau wie ich mich selbst kenne: ein Narr, aber in feiner Narrheit beständig; und, das möchte ich Sie bitten mir zu glauben, weder ein Jammerlappen noch ein Feigling.“

Mittwoch, 12. Oktober 2011

Maurice Sendak – Wo die wilden Kerle wohnen

Und er segelte zurück, fast ein ganzes Jahr und viele Wochen lang und noch einen Tag bis in sein Zimmer, wo es Nacht war und das Essen auf ihn wartete, und es war noch warm.












Montag, 3. Oktober 2011

James Herriot – Der Doktor und das liebe Vieh

Ich hatte gerade einen Anruf von einem Mr. Heaton aus Bronsett entgegengenommen, der die Autopsie eines verendeten Schafs wünschte.
«Ich möchte, daß Sie mitkommen, James», sagte Siegfried. «Heute liegt ohnehin nichts Besonderes vor, und ich glaube, auf dem College lernt ihr Burschen ein recht zügiges Autopsieverfahren. Ich will mir das mal ansehen.»
Als wir das Dorf Bronsett erreichten, steuerte Siegfried den Wagen in einen Weg zur Linken. «Wohin wollen Sie denn?» rief ich. «Heaton wohnt am anderen Ende des Dorfes.»
«Aber Sie sagten Seaton.»
«Ich versichere Ihnen...»
«James, ich stand direkt neben Ihnen, als Sie mit dem Mann sprachen. Ich hörte genau, wie Sie Seaton sagten.»
Ich öffnete den Mund, um weiterzuargumentieren, aber der Wagen sauste den Weg hinunter, und Siegfried preßte die Kinnbacken verbissen zusammen. Ich beschloß, es ihn selbst herausfinden zu lassen.
Wir hielten mit kreischenden Bremsen vor dem Bauernhaus an. Der Wagen hatte noch nicht aufgehört zu zittern, da war Siegfried schon draußen und wühlte im Kofferraum herum. «Zum Teufel», brüllte er, «jetzt habe ich kein Seziermesser. Na, dann leihe ich mir eben irgend etwas im Haus.» Er knallte den Deckel herunter und eilte zur Tür.
Die Bauersfrau öffnete, und Siegfried sah sie mit strahlendem Lächeln an. «Guten Morgen, Mrs. Seaton, haben Sie ein Vorlegemesser?»
Die gute Frau zog die Augenbrauen hoch. «Ein was...?»
«Ein Messer zum Bratenschneiden, Mrs. Seaton, und zwar ein recht scharfes, bitte.»
«Zum Tranchieren meinen Sie?»
«Ja, genau, ein Tranchiermesser!» schrie Siegfried, dessen geringer Vorrat an Geduld erschöpft war. «Und vielleicht beeilen Sie sich ein bißchen, ich habe nicht viel Zeit.»
Die verwirrte Frau zog sich in die Küche zurück, und ich hörte aufgeregtes Geflüster und Gemurmel. Ab und zu kamen Kinderköpfe zum Vorschein, um einen raschen Blick auf Siegfried zu werfen, der ungeduldig von einem Fuß auf den anderen trat. Nach einiger Zeit erschien eine der Töchter und streckte ihm mit ängstlicher Miene ein langes, gefährlich aussehendes Messer entgegen.
Siegfried riß es ihr aus der Hand und strich mit dem Daumen über die Schneide. «Das taugt überhaupt nichts!» brüllte er wütend. «Begreift ihr denn nicht, ich brauche etwas wirklich Scharfes. Hol mir einen Wetzstahl.»
Das Mädchen eilte in die Küche zurück, und nun erhob sich ein leises Stimmengewirr. Ein paar Minuten vergingen, dann wurde ein anderes Mädchen aus der Tür geschoben. Sie näherte sich Siegfried bis auf Armeslänge, gab ihm den Stahl und brachte sich eilig in Sicherheit. Siegfried war sehr stolz auf sein Geschick, Messer zu schärfen. Er hatte großen Spaß daran. Je öfter er das Messer über den Stahl zog, desto mehr begeisterte ihn seine Arbeit, und schließlich fing er an zu singen. Aus der Küche drang kein Laut, man hörte nur das Klirren von Stahl auf Stahl, begleitet von dem unmelodischen Gesang; hin und wieder gab es eine Pause, während er sorgfältig die Schneide prüfte; dann begann das Schleifen von neuem.
Als Siegfried die Arbeit zu seiner Zufriedenheit beendet hatte, spähte er ins Haus. «Wo ist Ihr Mann?» rief er.
Da er keine Antwort bekam, marschierte er in die Küche und schwenkte triumphierend die schimmernde Klinge. Ich folgte ihm. Mrs. Seaton und ihre Töchter kauerten in einer Ecke und starrten Siegfried mit großen, erschrockenen Augen an. Er machte eine weit ausholende Bewegung mit dem Messer. «So, kommen Sie, ich kann jetzt anfangen.»
«Anfangen? Womit?» flüsterte die Mutter und drückte ihre Kinder fest an sich.
«Ich möchte Ihr Schaf sezieren. Sie haben doch ein totes Schaf, nicht wahr?»
Nun folgten Erklärungen und Entschuldigungen.
Später machte mir Siegfried ernste Vorhaltungen, weil ich ihm angeblich die falsche Adresse genannt hatte. «In Zukunft müssen Sie etwas besser aufpassen, James», sagte er streng. «So was macht nämlich einen sehr schlechten Eindruck.»