Dienstag, 19. April 2011

Eric-Emmanuel Schmitt – Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran

„Warum lächelst du nie, Momo?“ fragte mich Monsieur Ibrahim.
Diese Frage traf mich wie ein Faustschlag ins Gesicht, ein Tiefschlag, auf den ich nicht vorbereitet war.
„Lächeln ist nur was für reiche Leute, Monsieur Ibrahim. Das kann ich mir nicht leisten.“
Sicher um mich zu ärgern, fing er an zu lächeln.
„Meinst du vielleicht, ich bin reich?“
„Sie haben doch immer Scheine in der Kasse. Ich kenne keinen, der den ganzen Tag so viele Scheine sieht.“
„Aber die Scheine brauche ich, um die Ware zu bezahlen und die Miete. Am Monatsende, weißt du, bleiben nicht allzuviele davon übrig.“
Und er lächelte noch mehr, als wollte er mich ärgern.
„M’sieur Ibrahim, wenn ich sage, dass lächeln nur was für reiche Leute ist, dann will ich damit sagen, dass es nur was für glückliche Leute ist.“
„Na, da irrst du dich aber. Es ist das Lächeln, das glücklich macht.“
„Quatsch.“
„Versuch’s.“
„Quatsch“, sage ich.
„Bist du höflich, Momo?“
„Muss ich sein, sonst krieg ich was hinter die Löffel.“
„Höflich sein ist gut. Freundlich sein ist besser. Versuch es mal mit einem Lächeln, und du wirst sehen.“
Nun gut, wie auch immer, wenn man so nett darum gebeten wird von Monsieur Ibrahim, der mir eine Büchse Sauerkraut allerfeinster Qualität rüberschiebt, warum es dann nicht mal versuchen …

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