Harold Chasen stieg auf den Stuhl und legte sich die Schlinge um den Hals. Er zog sie zu und prüfte den Knoten. Er würde halten. Er sah sich im Zimmer um. Leise spielte die Musik von Chopin. Der Briefumschlag war auf dem Schreibtisch platziert. Alles war bereit. Er wartete. Draußen fuhr ein Wagen in die Einfahrt und hielt. Harold hörte, wie seine Mutter ausstieg. Mit der Andeutung eines Lächelns stieß er den Stuhl um und fiel mit einem Ruck ins Leere. Wenige Augenblicke später hatten seine Füße aufgehört zu zucken, und sein Körper pendelte schlaff am Seil.
Mrs. Chasen legte ihre Schlüssel auf den Tisch am Eingang und rief dem Hausmädchen zu, es solle die Pakete aus dem Wagen holen. Der Lunch war entsetzlich langweilig gewesen, und sie war müde. Sie blickte in den Spiegel und zupfte geistesabwesend an ihrem Haar. Zum Dinner heute Abend würde sie die Perücke mit den hellen Strähnen tragen. Sie würde ihren Termin bei René absagen und den Rest des Nachmittags auf ein Nickerchen verwenden. Ab und zu musste sie schließlich auch ein wenig sich selbst verwöhnen. Sie ging ins Wohnzimmer und setzte sich an den Schreibtisch. Während sie in ihrem Adressbuch nach der Nummer des Friseurs blätterte, vernahm sie die leise spielende Chopin-Musik. Wie angenehm beruhigend, dachte sie und begann zu wählen. René würde empört sein, aber das war nun mal nicht zu ändern. Während das Freizeichen ertönte, lehnte sie sich zurück und trommelte mit den Fingern auf die Armlehne des Stuhls. Ihr Blick fiel auf den Briefumschlag. Sie blickte nach oben und sah den Körper ihres Sohnes an einem Seil von der Decke baumeln. Sie hielt inne. Der Körper schwang leicht hin und her, sodass das um den Eichenbalken geschlungene Seil zum Rythmus der Musik knarrende Geräusche machte. Mrs. Chasen starrte auf die hervorquellenden Augen, die heraushängende Zunge, auf die Schlinge, die fest um den grotesk verdrehten Hals lag.
„Die gewählte Nummer ist ungültig“, erklang eine dünne Stimme. „Bitte überprüfen Sie die Nummer und wählen Sie noch einmal, dies ist ...“ Mrs. Chasen unterbrach die Verbindung. „Also wirklich, Harold“, sagte sie, während sie erneut wählte. „Ich nehme an, du hälst das für wahnsinnig witzig. Es scheint dir völlig egal zu sein, dass die Crawfords heute zum Dinner kommen.“
Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht gerade zwischen die Kiefern steckt, den beißt’s auch nicht. Wilhelm Busch.
Sonntag, 27. Februar 2011
Visual Aid 1&2
Stuff you've forgotten, things you never thought you knew, and lessons you didn't quite get around to learning. And you can never know enough stuff.
Visual Aid und Viasual Aid 2 sind zwei sehr geniale und illustre Nachschlagewerke: Wissenwerte Fakten und Anleitungen aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie zum Beispiel Physik, Biologie, Haushalt und Freizeitgestaltung.
Ein Blick lohnt sich. Zwei auch.
Visual Aid und Viasual Aid 2 sind zwei sehr geniale und illustre Nachschlagewerke: Wissenwerte Fakten und Anleitungen aus den unterschiedlichsten Bereichen, wie zum Beispiel Physik, Biologie, Haushalt und Freizeitgestaltung.
Ein Blick lohnt sich. Zwei auch.
Sonntag, 13. Februar 2011
Mikael Niemi — Das Loch in der Schwarte
Eines Tages, irgendwo dort draußen, wird man einen Himmelskörper erreichen. Am besten einen Planeten. Möglicherweise auch einen Mond, oder mangels besserer Alternativen auch nur einen Asteroiden. Aber das Beste wäre natürlich ein Planet. In sicherem Abstand von einer wärmenden Sonne, mit Atmosphäre und Wasser, vielleicht sogar mit Ozeanen.
Man manövriert vorsichtig seine Kapsel an den Strand einer geschützten Meeresbucht. Alles ist nur Fels, Öde, rötlicher Stoff wirbelt auf. Nirgends findet sich auch nur die geringste Spur von Leben. Man ist der Erste. Man benennt den Ort nach sich selbst. Vielleicht auch nach seiner Mutter. Endlich, nach all den klaustrophobischen Jahren, ist man angekommen.
Sofort beginnt man mit den praktischen Dingen. Gibt es Baumaterial hier? Kohlendioxid, Stickstoff, Aminosäuren? Woraus besteht der Felsgrund? Ist Salz im Meer? Bereits am ersten Nachmittag stapft man in seinem verschwitzten Raumanzug zum Meeresufer hinunter, beugt sich hinab und kippt einen ersten Teelöffel mit Algen ins Wasser. Einzellige Algen aus dem Gewächshaus des Raumschiffs. Außerdem Bakterien und Hefezellen. Kleine wirbelnde Lebenskörner. Sie fallen in die Uferwellen und breiten sich aus. Werden über die gewaltigen Meeresbreiten gespühlt. Man bleibt mit einem feierlichen Gefühl am Strand stehen. Versucht, das Unglaubliche zu begreifen. Man hat diesem Planeten das Leben geschenkt. Man hat die Schöpfung in Gang gesetzt.
Und es ist der erste Tag, und es wird Morgen und Abend. Und man sieht, dass es gut ist.
Man manövriert vorsichtig seine Kapsel an den Strand einer geschützten Meeresbucht. Alles ist nur Fels, Öde, rötlicher Stoff wirbelt auf. Nirgends findet sich auch nur die geringste Spur von Leben. Man ist der Erste. Man benennt den Ort nach sich selbst. Vielleicht auch nach seiner Mutter. Endlich, nach all den klaustrophobischen Jahren, ist man angekommen.
Sofort beginnt man mit den praktischen Dingen. Gibt es Baumaterial hier? Kohlendioxid, Stickstoff, Aminosäuren? Woraus besteht der Felsgrund? Ist Salz im Meer? Bereits am ersten Nachmittag stapft man in seinem verschwitzten Raumanzug zum Meeresufer hinunter, beugt sich hinab und kippt einen ersten Teelöffel mit Algen ins Wasser. Einzellige Algen aus dem Gewächshaus des Raumschiffs. Außerdem Bakterien und Hefezellen. Kleine wirbelnde Lebenskörner. Sie fallen in die Uferwellen und breiten sich aus. Werden über die gewaltigen Meeresbreiten gespühlt. Man bleibt mit einem feierlichen Gefühl am Strand stehen. Versucht, das Unglaubliche zu begreifen. Man hat diesem Planeten das Leben geschenkt. Man hat die Schöpfung in Gang gesetzt.
Und es ist der erste Tag, und es wird Morgen und Abend. Und man sieht, dass es gut ist.
Freitag, 11. Februar 2011
Robert Louis Stevenson — Der schwarze Pfeil
Vier schwarze Pfeile steckte ich zu mir,
Für alle meine Nöte ihrer vier.
Vier für die bösen Männer, die viel Weh
Für mich bereitet haben eh und je.
Der erste, den mit Glück ich abgedrückt,
Hat den Old Appleyard in'n Tod geschickt.
Der zweite ist für Bennet Hatch bestimmt,
Auf den ich wegen Crimstones Brand ergrimmt.
Dem Sir Oliver Oats schick ich den dritten,
Weil Sir Harry Sheltons Hals er hat durchgeschnitten.
Sir Daniel nun, Ihr seid das vierte Ziel:
Das scheint uns wahrlich ein gerechtes Spiel.
Hinnehmen sollt Ihr jeder Euren Schmerz:
Ein schwarzer Pfeil in jedes schwarze Herz.
Wenn Ihr zum Beten Euer Knie auch beugt:
Das Euch der Teufel holt, seid überzeugt!
John der Rächer vom grünen Walde
und seine fröhliche Schar
Übrigens haben wir noch mehr Pfeile und gute
Hanfstricke für andere von Euren Anhängern.
Für alle meine Nöte ihrer vier.
Vier für die bösen Männer, die viel Weh
Für mich bereitet haben eh und je.
Der erste, den mit Glück ich abgedrückt,
Hat den Old Appleyard in'n Tod geschickt.
Der zweite ist für Bennet Hatch bestimmt,
Auf den ich wegen Crimstones Brand ergrimmt.
Dem Sir Oliver Oats schick ich den dritten,
Weil Sir Harry Sheltons Hals er hat durchgeschnitten.
Sir Daniel nun, Ihr seid das vierte Ziel:
Das scheint uns wahrlich ein gerechtes Spiel.
Hinnehmen sollt Ihr jeder Euren Schmerz:
Ein schwarzer Pfeil in jedes schwarze Herz.
Wenn Ihr zum Beten Euer Knie auch beugt:
Das Euch der Teufel holt, seid überzeugt!
John der Rächer vom grünen Walde
und seine fröhliche Schar
Übrigens haben wir noch mehr Pfeile und gute
Hanfstricke für andere von Euren Anhängern.
Donnerstag, 10. Februar 2011
Charlotte Brontë — Jane Eyre
Nur wenige Schritte kam ich, dann wandte ich mich um: Ein Geräusch, als glitte etwas aus, und ein Poltern weckten meine Aufmerksamkeit. Es folgte ein Ausruf: „Was denn nun, zum Teufel?“ Ross und Reiter lagen am Boden; sie waren auf der Eisfläche ausgeglitten, welche den gepflasterten Boden bedeckte. In großen Sprüngen kam der Hund zurück, und als er seinen Herrn in Verlegenheit sah und das Pferd stöhnen hörte, begann er zu bellen, dass es von den Hügeln widerhallte. Er beschnüffelte die am Boden liegende Gruppe und kam dann zu mir gelaufen – das war alles, was er tun konnte; eine andere helfende Hand war nicht zur Stelle. Ich folgte ihm zu dem Reiter hin, welcher jetzt begann, sich unter seinem Pferd hervorzuarbeiten. Seine Anstrengungen waren so kräftig, dass ich glaubte, er könne keinen großen Schaden genommen haben. Aber ich fragte dennoch: „Haben Sie sich verletzt, Sir?“
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