Ich bin 5, und ich bin schon groß, und ich heiße Mäxchen.
Und am liebsten esse ich Bockwurst ohne Senf und Eierkuchen mit Apfelmus und Nachtisch mit dem großen Löffel, weil, wer das Messer in den Mund steckt, ist ein Pirat oder Menschenfresser, und das ist gefährlich. Fettes Fleisch schmeckt mir ganz eklig, und einen Fisch mag ich auch nicht, nur Fischstäbchen, weil, „die gehen auch schön schnell“, sagt Mama, aber gehen können die gar nicht, nur schwimmen. In Öl, weil, „da sind die dran gewöhnt“, sagt Mama. Und ich kann auch schwimmen und tauchen, aber nur in der Badewanne mit Taucherbrille und einem richtigen Schnorchel, und das hat Papa mir zum Geburtstag geschenkt. Aber im Schwimmbad gehe ich nie ins tiefe Wasser, weil, ich hab’ Angst, wenn ich mit den Füßen nicht auf die Erde komme, und Papa sagt „das ist doch eine faule Ausrede, wenn du auf einem Stuhl sitzt, kommst du mit den Füßen ja auch nicht auf die Erde“, aber das ist egal. Und Papa sagt noch „komm her, ich nehme dich auf den Arm, du brauchst keine Angst zu haben, ich lasse dich doch nicht los!“, aber ich will nicht und strample, und Mama sagt „lass ihn doch, Schatz, er lernt’s schon noch“, und Papa sagt „in deinem Alter bin ich schon vom Einer gesprungen“, und ich brülle „ich will nicht“, und Papa ist enttäuscht und sagt zu Mama, ich bin ein kleiner Feigling, aber das ist gar nicht wahr, weil, neulich habe ich einen großen Schäferhund am Kopf gestreichelt, und Papa hat einen großen Bogen drumrum gemacht, und Mama hat zu mir geflüstert „dein Vater, dieser unschlagbare Held, hat vor jedem kleinen Fiffi Schiss“, aber ich darf ihn damit nicht ärgern, weil, es ist ihm peinlich. Und am schönsten ist es bei Gewitter, weil, da hab ich auch Angst, aber „du musst keine Angst haben“ sagt Papa, weil, Papa und Mama liegen schon im Bett und ziehen sich einfach die Decke über die Ohren, und ich krieche da mit drunter, wenn’s kracht, und wir zählen Zahlen vom Blitz bis zum Donner, und das Gewitter ist noch weit weg, und ich darf zwischen Mama und Papa einschlafen. Und am Morgen sagt Mama „du hast wieder quergelegen“, und Papa sagt „mich hat er getreten, und ich mag gar nicht sagen, wohin“, aber das weiß ich schon.
Ein Buch, wenn es so zugeklappt daliegt, ist ein gebundenes, schlafendes, harmloses Tierchen, welches keinem was zuleide tut. Wer es nicht aufweckt, den gähnt es nicht an; wer ihm die Nase nicht gerade zwischen die Kiefern steckt, den beißt’s auch nicht. Wilhelm Busch.
Dienstag, 31. Mai 2011
Sonntag, 29. Mai 2011
Charlotte Brontë — Jane Eyre
„Sie haben mir das Leben gerettet. Es macht mir Freude, Ihnen gegenüber eine so große Pflicht der Dankbarkeit zu haben. Keinem anderen lebenden Wesen gegenüber hätte ich eine solche Verpflichtung ertragen, aber mit Ihnen ist es anders: Jane, die Dankbarkeit gegen Sie ist mir keine Last.“
Freitag, 27. Mai 2011
Eric-Emmanuel Schmitt – Oskar und die Dame in Rosa
Ich, ich mache keine Freude mehr. Seit meiner Knochenmarktransplantation merke ich, dass ich keine Freude mehr mache. Wenn mich Doktor Düsseldorf morgens untersucht, tut er es nicht mehr mit ganzem Herzen, ich enttäusche ihn. Er schaut mich ohne was zu sagen an, als ob ich einen Fehler gemacht hätte. Obwohl ich mir bei der Operation jede Menge Mühe gegeben habe. Ich bin super artig gewesen, ich habe die Betäubung über mich ergehen lassen, ich habe, ohne zu mucksen, die Schmerzen ertragen, ich habe alle Medikamente genommen. An manchen Tagen habe ich Lust, ihn anzubrüllen, ihm zu sagen, dass vielleicht er, Doktor Düsseldorf mit seinen schwarzen Augenbrauen, die Operation vermasselt hat. Aber er sieht so unglücklich aus, dass mir die Schimpferei im Hals steckenbleibt. Und je mehr Doktor Düsseldorf mit traurigen Augen schweigt, desto mehr fühle ich mich schuldig. Ich habe verstanden, dass ich ein schlechter Kranker bin, ein Kranker, der einem den Glauben daran nimmt, dass die Medizin etwas ganz Tolles ist.
Donnerstag, 26. Mai 2011
Colin Dann – Als die Tiere den Wald verließen
„Bist... du’s, Dachs?“ kam eine schüchterne Stimme.
„Ja“, sagte der Dachs. Komm um alles in der Welt heraus, Maulwurf! Was machst du denn da drin?“
„Ich... ich komme nicht mit“, sagte der Maulwurf leise.
„Du kommst nicht mit? Was meinst du denn damit? Natürlich kommst du mit! Und jetzt beeil dich, die anderen warten alle!“
„Nein!“ sagte der Maulwurf. „Es nutzt nichts, Dachs. Es ist lieb von dir, dass du herkommst und mich suchst...“ er brach ab und schluchzte herzergreifend. „Aber... aber... ich wäre nicht gut für euch. Ich bin... zu... langsam.“
„Ach, Maulwurf! Welcher Unsinn!“ sagte der Dachs. Wir können dich nicht hier zurücklassen. Wie stellst du dir das denn vor? Bitte komm heraus.“
„Sie... haben gesagt... ich sei... zu langsam“, sagte der Maulwurf abgehackt zwischen einzelnen Schluchzern.
„Mach dir nichts daraus, was die anderen gesagt haben“, entgegnete der Dachs beschwichtigend. „Wir gehen alle zusammen. Keiner wird zurückgelassen.“
„Ja“, sagte der Dachs. Komm um alles in der Welt heraus, Maulwurf! Was machst du denn da drin?“
„Ich... ich komme nicht mit“, sagte der Maulwurf leise.
„Du kommst nicht mit? Was meinst du denn damit? Natürlich kommst du mit! Und jetzt beeil dich, die anderen warten alle!“
„Nein!“ sagte der Maulwurf. „Es nutzt nichts, Dachs. Es ist lieb von dir, dass du herkommst und mich suchst...“ er brach ab und schluchzte herzergreifend. „Aber... aber... ich wäre nicht gut für euch. Ich bin... zu... langsam.“
„Ach, Maulwurf! Welcher Unsinn!“ sagte der Dachs. Wir können dich nicht hier zurücklassen. Wie stellst du dir das denn vor? Bitte komm heraus.“
„Sie... haben gesagt... ich sei... zu langsam“, sagte der Maulwurf abgehackt zwischen einzelnen Schluchzern.
„Mach dir nichts daraus, was die anderen gesagt haben“, entgegnete der Dachs beschwichtigend. „Wir gehen alle zusammen. Keiner wird zurückgelassen.“
Sonntag, 15. Mai 2011
Elke Loewe – Piggeldy wollte wissen...
„Frederick, zeigst du mir den Mond?“
„Nichts leichter als das“, erwiederte Frederick, „komm mit.“
Piggeldy folgte Frederick.
Sie liefen aus dem Wald heraus und liefen und liefen und gelangten in eine gänzlich unbekannte Gegend.
„Bald wird es dämmern“, sagte Frederick. „Und dann können wir den Mond sehen.
Es dauerte nicht mehr lange, dann stand der Mond dick und rund am Himmel.
„Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen“, sang Frederick.
„Wie schön dein Gesinge an den Mond ist“, seufzte Piggeldy. „Ob wir ihn wohl fangen können?“
„Er ist heute zu dick zum Fangen“, sagte Frederick. „Aber aus Erfahrung weiß ich, dass er jeden Tag ein bisschen abnimmt.“
„Nichts leichter als das“, erwiederte Frederick, „komm mit.“
Piggeldy folgte Frederick.
Sie liefen aus dem Wald heraus und liefen und liefen und gelangten in eine gänzlich unbekannte Gegend.
„Bald wird es dämmern“, sagte Frederick. „Und dann können wir den Mond sehen.
Es dauerte nicht mehr lange, dann stand der Mond dick und rund am Himmel.
„Der Mond ist aufgegangen, die goldnen Sternlein prangen“, sang Frederick.
„Wie schön dein Gesinge an den Mond ist“, seufzte Piggeldy. „Ob wir ihn wohl fangen können?“
„Er ist heute zu dick zum Fangen“, sagte Frederick. „Aber aus Erfahrung weiß ich, dass er jeden Tag ein bisschen abnimmt.“
Mittwoch, 11. Mai 2011
Walt Whitman – O Captain! My Captain!
O Captain my Captain! our fearful trip is done;
The ship has weather’d every rack, the prize we sought is won;
The port is near, the bells I hear, the people all exulting,
While follow eyes the steady keel, the vessel grim and daring:
But O heart! heart! heart!
O the bleeding drops of red,
Where on the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.
O Captain! my Captain! rise up and hear the bells;
Rise up—for you the flag is flung—for you the bugle trills;
For you bouquets and ribbon’d wreaths—for you the shores a-crowding;
For you they call, the swaying mass, their eager faces turning;
Here Captain! dear father!
This arm beneath your head;
It is some dream that on the deck,
You’ve fallen cold and dead.
My Captain does not answer, his lips are pale and still;
My father does not feel my arm, he has no pulse nor will;
The ship is anchor’d safe and sound, its voyage closed and done;
From fearful trip, the victor ship, comes in with object won;
Exult, O shores, and ring, O bells!
But I, with mournful tread,
Walk the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.
The ship has weather’d every rack, the prize we sought is won;
The port is near, the bells I hear, the people all exulting,
While follow eyes the steady keel, the vessel grim and daring:
But O heart! heart! heart!
O the bleeding drops of red,
Where on the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.
O Captain! my Captain! rise up and hear the bells;
Rise up—for you the flag is flung—for you the bugle trills;
For you bouquets and ribbon’d wreaths—for you the shores a-crowding;
For you they call, the swaying mass, their eager faces turning;
Here Captain! dear father!
This arm beneath your head;
It is some dream that on the deck,
You’ve fallen cold and dead.
My Captain does not answer, his lips are pale and still;
My father does not feel my arm, he has no pulse nor will;
The ship is anchor’d safe and sound, its voyage closed and done;
From fearful trip, the victor ship, comes in with object won;
Exult, O shores, and ring, O bells!
But I, with mournful tread,
Walk the deck my Captain lies,
Fallen cold and dead.
Dienstag, 10. Mai 2011
Javier Marías – Morgen in der Schlacht denk an mich
Unterdessen streben wir langsam unserer Auflösung entgegen, nur um auf der Rück- oder Kehrseite der Zeit zu wandeln, wo man nicht weiter denken und auch nicht weiter Abschied nehmen kann: Leb wohl, Gelächter, und leb wohl, Schmach. Ich werde euch nicht wiedersehen und ihr mich auch nicht. Und leb wohl, Lebensglut, lebt wohl, Erinnerungen.
Montag, 9. Mai 2011
Jonathan Stroud – Die Spur ins Schattenland
Er schaut mich immer noch an. Das Wasser ist grün, Luftblasen steigen auf. Sein Gesicht leuchtet weiß zwischen dem Moos und den Unkrautschlingen.
Ich schaue ihn an, und da spricht sein Mund meinen Namen durch das stumme Wasser. Ein Schwall von Luftblasen explodiert auf seinen Lippen. Sie stürzen auf mich ein, heften sich auf meine Augen und mein Gesicht und einen Augenblick bin ich blind. Dann steigen sie sprudelnd nach oben ins Licht, dorthin, wo es Tag ist, und ich kann wieder sehen. Ein einziges Mal erhasche ich noch einen Blick auf seine Augen, dann wenden sie sich von mir ab, dem Schattenland entgegen, und sein Gesicht wird von dem dunklen Grün um uns herum verschluckt.
...
Die Luftbläschen trugen mich jetzt wie in einem Schaumkissen nach oben, das Licht wurde heller und heller, bis es über meinem Kopf zerplatzte und mich die warme Luft des Spätsommernachmittags umgab. Ich strampelte keuchend in der Mitte des Mühlteichs, in meiner verletzten Wade spürte ich einen stechenden Schmerz. Das Wasser um mich herum war still und in den Pflaumenbäumen zwitscherten die Amseln. Es waren vielleicht zwei Minuten vergangen, seit ich ins Wasser gesprungen war, aber seit diesem Augenblick schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, und das Vogelgezwitscher klang fremd und seltsam. Ich schwamm zum Ufer, hievte mich auf die warme Steinplatte hoch und starrte stumpf auf die ruhige Wasseroberfläche des Mühlteichs, der mir meinen Freund für immer genommen hatte. Meine Lungen atmeten die warme Spätsommerluft ein, aber durch mein Herz strömte kaltes grünes Wasser.
Ich schaue ihn an, und da spricht sein Mund meinen Namen durch das stumme Wasser. Ein Schwall von Luftblasen explodiert auf seinen Lippen. Sie stürzen auf mich ein, heften sich auf meine Augen und mein Gesicht und einen Augenblick bin ich blind. Dann steigen sie sprudelnd nach oben ins Licht, dorthin, wo es Tag ist, und ich kann wieder sehen. Ein einziges Mal erhasche ich noch einen Blick auf seine Augen, dann wenden sie sich von mir ab, dem Schattenland entgegen, und sein Gesicht wird von dem dunklen Grün um uns herum verschluckt.
...
Die Luftbläschen trugen mich jetzt wie in einem Schaumkissen nach oben, das Licht wurde heller und heller, bis es über meinem Kopf zerplatzte und mich die warme Luft des Spätsommernachmittags umgab. Ich strampelte keuchend in der Mitte des Mühlteichs, in meiner verletzten Wade spürte ich einen stechenden Schmerz. Das Wasser um mich herum war still und in den Pflaumenbäumen zwitscherten die Amseln. Es waren vielleicht zwei Minuten vergangen, seit ich ins Wasser gesprungen war, aber seit diesem Augenblick schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, und das Vogelgezwitscher klang fremd und seltsam. Ich schwamm zum Ufer, hievte mich auf die warme Steinplatte hoch und starrte stumpf auf die ruhige Wasseroberfläche des Mühlteichs, der mir meinen Freund für immer genommen hatte. Meine Lungen atmeten die warme Spätsommerluft ein, aber durch mein Herz strömte kaltes grünes Wasser.
Sonntag, 8. Mai 2011
Joël Egloff – Mein kleines Paradies
Bei Westwind riecht es ziemlich nach faulen Eiern. Wenn der Wind aus Osten bläst, beißt uns eine Art Schwefelgeruch in die Nase. Weht er aus Norden, kommen schwarze Rauchwolken geradewegs auf uns zu. Und wenn Südwind aufkommt, was zum Glück nicht oft der Fall ist, riecht es wirklich nach Scheiße, anders kann man es nicht ausdrücken.
Wir, die wir mitten drin sind, achten schon lang nicht mehr darauf. Es ist letztlich nur eine Frage der Gewöhnung. Man gewöhnt sich an alles.
Auch klimatisch sind wir nicht gerade auf Rosen gebettet. Soweit ich mich zurückerinnern kann, ist es hier immer gleich heiß gewesen, und gleich finster. So viel ich auch in meinem Gedächtnis krame, so sehr ich mir das Gehirn zermartere, ich kann mich nicht erinnern, dass es einmal kühler gewesen wäre oder das Wetter sich mal etwas aufgeheitert hätte. Ich kann mich nicht erinnern, dass diese graue Decke einmal aufgerissen wäre, die an manchen Tagen sogar auf uns herabfällt und uns von morgens bis abends im Nebel lässt und manchmal auch mehrere Tage hintereinander und ganze Wochen, wenn sich kein Lüftchen regt.
Klar, dass das keine gesunde Umgebung ist. Die Kinder sind blässlich, die Alten nicht sehr alt. Eine Unterscheidung, die übrigens nicht immer getroffen wird. Ich jedenfalls, werde mein Leben nicht hier beenden. Eines Tages werde ich mich woanders umschauen, auch wenn es immer heißt, es sei überall gleich und es gebe Orte, wo es noch schlimmer sei. Ich kann meine Phantasie noch so sehr anstrengen, es fällt mir schwer, das zu glauben.
Wir, die wir mitten drin sind, achten schon lang nicht mehr darauf. Es ist letztlich nur eine Frage der Gewöhnung. Man gewöhnt sich an alles.
Auch klimatisch sind wir nicht gerade auf Rosen gebettet. Soweit ich mich zurückerinnern kann, ist es hier immer gleich heiß gewesen, und gleich finster. So viel ich auch in meinem Gedächtnis krame, so sehr ich mir das Gehirn zermartere, ich kann mich nicht erinnern, dass es einmal kühler gewesen wäre oder das Wetter sich mal etwas aufgeheitert hätte. Ich kann mich nicht erinnern, dass diese graue Decke einmal aufgerissen wäre, die an manchen Tagen sogar auf uns herabfällt und uns von morgens bis abends im Nebel lässt und manchmal auch mehrere Tage hintereinander und ganze Wochen, wenn sich kein Lüftchen regt.
Klar, dass das keine gesunde Umgebung ist. Die Kinder sind blässlich, die Alten nicht sehr alt. Eine Unterscheidung, die übrigens nicht immer getroffen wird. Ich jedenfalls, werde mein Leben nicht hier beenden. Eines Tages werde ich mich woanders umschauen, auch wenn es immer heißt, es sei überall gleich und es gebe Orte, wo es noch schlimmer sei. Ich kann meine Phantasie noch so sehr anstrengen, es fällt mir schwer, das zu glauben.
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