Montag, 9. Mai 2011

Jonathan Stroud – Die Spur ins Schattenland

Er schaut mich immer noch an. Das Wasser ist grün, Luftblasen steigen auf. Sein Gesicht leuchtet weiß zwischen dem Moos und den Unkrautschlingen.
Ich schaue ihn an, und da spricht sein Mund meinen Namen durch das stumme Wasser. Ein Schwall von Luftblasen explodiert auf seinen Lippen. Sie stürzen auf mich ein, heften sich auf meine Augen und mein Gesicht und einen Augenblick bin ich blind. Dann steigen sie sprudelnd nach oben ins Licht, dorthin, wo es Tag ist, und ich kann wieder sehen. Ein einziges Mal erhasche ich noch einen Blick auf seine Augen, dann wenden sie sich von mir ab, dem Schattenland entgegen, und sein Gesicht wird von dem dunklen Grün um uns herum verschluckt.

...

Die Luftbläschen trugen mich jetzt wie in einem Schaumkissen nach oben, das Licht wurde heller und heller, bis es über meinem Kopf zerplatzte und mich die warme Luft des Spätsommernachmittags umgab. Ich strampelte keuchend in der Mitte des Mühlteichs, in meiner verletzten Wade spürte ich einen stechenden Schmerz. Das Wasser um mich herum war still und in den Pflaumenbäumen zwitscherten die Amseln. Es waren vielleicht zwei Minuten vergangen, seit ich ins Wasser gesprungen war, aber seit diesem Augenblick schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, und das Vogelgezwitscher klang fremd und seltsam. Ich schwamm zum Ufer, hievte mich auf die warme Steinplatte hoch und starrte stumpf auf die ruhige Wasseroberfläche des Mühlteichs, der mir meinen Freund für immer genommen hatte. Meine Lungen atmeten die warme Spätsommerluft ein, aber durch mein Herz strömte kaltes grünes Wasser.

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