Ein gelber Block, vom Gesetzgeber gestellt, Seite eins bisher leer. Akte 1, auf dem Kennungsschild steht in Tintenschrift: „Fletcher, D.“ Mein Gutachter schreibt acht Zeilen einführender Notizen, wobei er kurze, vogelartige Blicke in meine Richtung wirft. Der Gutachter schätz mich in meiner Einschätzung seiner Person ab.
Die folgenden Verhaltensweise solltest du auf jeden Fall unterlassen:
Fußwippeln.
Fingertrommeln.
Wechseln der Sitzposition.
Kratzen.
Abwischen der Stirn. Denn das wird er ins Protokoll aufnehmen.
Aber tu andererseits auch das nicht:
Allzu still zu sitzen.
Ein gewisser grad an Nervosität wird einem zugestanden. Sobald man zu ruhig wirkt, ist das verdächtig. Zu lernen, wie man sich natürlich verhält, hat mich Jahre der Übung gekostet. Am besten denkt man an den Familienvater aus geordneten Verhältnissen, der aus dem Pornokino kommt und sich umschaut wie ein verdutztes Nagetier, um dann schnell zu überprüfen, ob sein Hosenschlitz auch richtig geschlossen ist. Oder man denkt an den Jugendlichen, der sein Zimmer auslüftet und seine Fahne wegzugurgeln versucht, bevor seine Eltern nach Hause zurückkehren. Innerhalb von drei Jahren habe ich sechsmal meinen Namen geändert, meine Sozialversicherungsnummer, meine Eltern, meine berufliche Vergangenheit, die Schulzeugnisse und Fingerabdrücke. Und immer noch muss ich mich daran erinnern, mich natürlich zu benehmen. Ich verfalle auf die Spiegelmethode, nähere mich der Sitzhaltung des Gutachters an: Füße flach auf den Boden, Hände offen sichtbar mit leicht vornübergebeugtem Oberkörper, Selbstvertrauen, Ehrlichkeit. Die wichtigste Einzelheit, die man nie vergessen sollte, ist die Frequenz, mit der man seine Haltung ändern sollte. Beweg dich im Schnitt mindestens alle fünf Minuten mal. Manche werden so von ihrer Geschichte in Anspruch genommen, dass sie vergessen, sich zu bewegen. Während sie all die vielen Details in ihrem Kopf herumjonglieren, überfällt sie eine verräterische Leichenstarre, und das verdirbt alles, offenbart sofort die Schwachstellen ihres Lügengebäudes.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen