Ich setzte mich wieder aufs Sofa und las weiter „Anna Karenina“. Erst bei der jetzigen zweiten Lektüre fiel mir auf, dass ich eigentlich fast nichts vom Inhalt des Buches behalten hatte. An die meisten der auftretenden Personen und an die meisten Szenen erinnerte ich mich nicht. Ich hatte das Gefühl, als würde ich ein mir völlig unbekanntes Buch lesen. Seltsam, dachte ich. Ich war beim Lesen sicherlich sehr berührt gewesen, und doch war nichts davon geblieben. Jede Erinnerung an Schauder oder Erregung, die ich damals empfunden haben musste, war fein säuberlich, ohne dass ich es bemerkt hatte, verlöscht.
Was für eine Bedeutung besaßen dann überhaupt jene unzähligen Stunden, die ich damals mit Lesen verbracht hatte?
Ich unterbrach meine Lektüre und sann eine Weile darüber nach. Doch ich fand keine Antwort, und kurz darauf hatte ich auch schon vergessen, worüber ich eigentlich nachdachte. Ich merkte nur plötzlich, dass ich geistesabwesend auf den Baum vorm Fenster blickte. Ich schüttelte den Kopf und las weiter.
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